10 Euro bekommt ein Rentner in Moldawien monatlich auf sein Konto überwiesen. 103 Euro verdient der durchschnittliche Arbeitnehmer dort. Auf Platz 51 findet sich die moldawische Fußballnationalmannschaft momentan in der FIFA-Weltrangliste. Österreich ist 37 Plätze dahinter. Die Republica Moldova ist umzingelt von Rumänien und der Ukraine und hat eine in Europa ansonsten unerreichte Luftqualität. Kein Wunder, wenn nur ein Viertel des Bruttoinlandprodukts durch die Industrie erwirtschaftet wird. Die Hauptstadt Moldawiens heißt Chisinau und von dort kommt die Band ZDOB [SI] ZDUB, was ungefähr "auf die Pauke hauen" bedeutet.
Aufmerksame musikalische Allesfresser kennen die Band, denn ZDOB [SI] ZDUB traten 2005 beim Eurovision Song Contest mit dem Song Boonika Bate Doba (heißt hier Boonika Bata Doba)und einer trommelnden Oma im Schaukelstuhl auf - und wurden prompt auf den sechsten Platz gewählt. Die für Deutschland angetretene Gracia wurde letzte, was natürlich für jemanden der beinahe DSDS-Sieger geworden wäre völlig unverdient ist. Sieht doch wirklich süß aus, das Mädel. Schön sind die sechs Typen von ZDOB [SI] ZDUB tatsächlich nicht, aber möglicherweise setzt sich eine fundierte musikalische Ausbildung ab und an doch gegen nichtskönnende Castinggören durch - bis auf den Sänger Roman Iagupov sind tatsächlich alle durch die bekannt gute Musikschule des früheren Ostblocks gegangen. Rein optisch sieht man ihnen Zucht und Ordnung nicht mehr an, aber da werden auf den verschiedensten Instrumenten die verrücktesten Dinge angestellt, während Fräulein Gracia wohl nicht mal ein Tamburin halbwegs rhythmisch schütteln kann. Aber egal, wir wollen über die CD "Ethnomecanica" von ZDOB [SI] ZDUB sprechen.
Hubert von Goisern mag die schrägen Moldawier, nahm sie mit auf einige Stationen seiner letztjährigen "Linz Europa Tour" und spielte mit ihnen eine neue Version seines Hits Koa Hiatamadl für dieses Album ein. Gewiss mag dem einen oder anderen von Goisern als reichlich elitärer Zeitgenosse erscheinen, aber sein Händchen für ansprechende Klänge ist unbestritten. "Ethnomecanica" ist kein neues Album, eher ist es eine Zusammenstellung von Songs, die wenigstens teilweise schon auf den vier früheren CDs vertreten waren. Laut Cover wurde ab 2002 aufgenommen, möglicherweise bezieht sich das aber auch nur auf Remixe oder Neuaufnahmen, so ganz eindeutig ist die Sache nicht. Spielt aber keine Rolle, denn ZDOB [SI] ZDUB produzieren Zeit ihrer beinahe eineinhalb Jahrzehnte dauernden Geschichte einen so wüsten Stilmix, dass ungeübten Radiohörern sowieso schlecht werden dürfte und als Zielgruppe nur experimentierfreudige Rockfans übrig bleiben. Die dürfen sich allerdings nicht am rumänisch-russisch-englischen Sprachenwirrwarr stören, und auch nicht an Hip-Hop Einlagen, die zwanglos von Metal-Gitarren, Country-Picking oder bayrisch-jazzig-folkloristischen Bläsern unterbrochen werden. Wer letztendlich auch noch Stimmen erträgt, die irgendwo zwischen dem durchaus anstrengenden Sound bulgarischer Frauenchöre, mongolischer Schafhirtinnen und alpenländischen Jodlerinnen liegen, ist mit den Album allerbestens bedient.
Zusammengezählt klingt das schrecklich nach Ethno, Weltmusik, Eine-Welt-Laden und allein erziehenden Lehrerinnen mit Urlaubsziel Jamaika. Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Stellt euch bitte einfach die LENINGRAD COWBOYS auf dem Gipfel ihres Schaffens vor. Waren die eine sensationelle Rockband oder nicht? ZDOB [SI] ZDUB lassen die Sau raus, beugen sich keinen Konventionen, kreieren hochmelodische Rock-Folk-Punk Bastarde, bringen von Goiserns Hiatamadl zum wüsten headbangen und spielen dazu Akkordeon und Flöte, während sich die Gitarre dramatisch durch die Metal-Geschichte sägt. "Ethnomecanica" ist aufregend, regt aber nicht auf, lässt den Zuhörer nur in bisher nicht gehörte Crossover-Töne einsteigen und relativiert den von Tourismusimperialisten okkupierten Begriff Folklore eindrucksvoll. Ethno-Hardcore steht im Info, okay, das muss man trotz Widerwillen so stehen lassen. Warum Widerwillen? Ethno steht gemeinhin nicht für Spaß und gute Laune, ZDOB [SI] ZDUB verbreiten aber genau dies, man kann sich die grinsenden Gesichter bei den Aufnahmen und Liveauftritten bildlich vorstellen. Im Publikum dürften nur ganz tote Miesepampel zu Tractoruli (bedeutet durchaus was man im ersten Moment vermutet) oder Hardcore Moldovenesc stillhalten können, der Rest wird sich die Schuhe durchtanzen. |